MiLoG – das Mindestlohngesetz

Anlässlich des Inkrafttretens des MiLoG hat unser Vorsitzender Frau Bundesminsisterin Andrea Nahles um Stellungnahme gebeten. Hier der Brief an die Ministerin:

 

 

Sehr geehrte Frau Nahles,

als Vorsitzender eines Haus & Grund-Vereins mit über 500 Mitgliedern habe ich mit sehr vielen Vermietern und Hauseigentümern zu tun, die Mini-Jobber beschäftigen und damit mit den Folgen des MiLoG konfrontiert sind. Darüber hinaus bin ich als Hausverwalter selbst verantwortlich für 15 Arbeitnehmer, die als Mini-Jobber seit teilweise mehr als 30 Jahren Hauswarttätigkeiten in den von mir verwalteten Häusern ausüben.

Aufgrund des von Ihnen verantworteten Mindestlohngesetzes werden ich und vermutlich viele meiner Kollegen eine Menge dieser Arbeitsverhältnisse beenden müssen, was zur Folge haben wird, dass sich einige der Familien ihre Wohnung nicht mehr leisten werden können.

Warum dem so ist? Jeder Hauswart muss nach Ihrer Vorstellung wöchentlich einen Arbeitszeitbericht abliefern, den ich als Arbeitgeber prüfen und aufbewahren muss, mithin also 52 Berichte für jeden Hauswart – und ja, richtig – das sind dann 780 Stück p.a.. Selbst vorausgesetzt, meine Arbeitnehmer sind nach eingehender Einweisung und Beratung in der Lage, die Arbeitszeitberichte korrekt und nachvollziehbar auszufüllen (unter Beachtung von Rüst-/Wegezeiten, Pausen, Unterbrechungen beim Schwatz mit den Nachbarn oder dem gelegentlichen Wegbringen des eigenen Hausmülls), ist die Prüfung und Ablage von 15 Berichten eine Aufgabe, die eine Mitarbeiterin eine gute Stunde pro Woche beschäftigt – von der Kontrolle der regelmäßig unregelmäßigen Arbeitszeiten über das Jahr hinweg ganz zu schweigen (im Sommer z.B. mehr Arbeitszeit, weil Gartenarbeiten dazu kommen und beispielsweise zweimal jährlich Großputz gemacht wird). Abgesehen von dem Mehraufwand, der ja von irgendwem geleistet und auch bezahlt werden muss, droht bei Fehlern auch noch ein Bussgeld von € 30.000,-, ganz zu schweigen von den Nachforderungen der Sozialversicherungsträger im Rahmen der Pflichtversicherung, wenn da ein Arbeitnehmer seine Arbeitszeiten etwas großzügig dokumentiert hat, um vor Mietern und Arbeitgeber besonders „fleißig“ zu erscheinen. Und da rede ich nur von den Arbeitnehmern, die treu und brav der ihnen auferlegten Verpflichtung zur Führung und Abgabe der „Andrea-Nahles-Berichte“ nachkommen. Denen, die das nicht leisten, laufe ich voraussichtlich tage- und wochenlang hinterher – und das dürften nicht wenige sein. Da wird mir schon aus den genannten Haftungsgründen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aufgezwungen – hat da eigentlich jemand nachgedacht?

Eine Veranstaltung in der vergangenen Woche (zukunft im zentrum/JOBOPTION)  wollte für die Idee werben, aus Mini-Jobbern MIDI-Jobber oder gar „normale“ Arbeitsverhältnisse zu machen und dabei auch noch Geld zu sparen. Hübsche Idee, allerdings wurde meine Frage nach der Finanzierung damit beantwortet, dass man doch aus zwei kleinen auch einen großen Arbeitplatz machen könnte. Meine anschließende Frage, was der Mitarbeiter dazu sagen dürfte, der dann ja entlasssen werden müsste, wurde dann doch nur mit einem etwas ratlosen Schulterzucken quittiert. Das Szenario war war natürlich auch rein theoretisch, da für Hauswarte von klassischen Mehrfamilienhäusern mit 10 bis 20 Wohneinheiten einfach nicht mehr Arbeit als im Rahmen eines Minijobs anfällt…

Den Amtschimmel voll aufgezäumt haben Sie aber dann mit der im letzten Moment eingefügten Generalhaftung, die mich auch noch verantwortlich für alle Auftragnehmer macht – und Hauseigentümer und Vermieter beauftragen viele Unternehmer, die klassischerweise Arbeitnehmer im Mini-Jobbereich beschäftigen: Reinigungsdienste, Schnee- und Eisbeseitiger, Gartenpfleger z.B.. Hier soll ich haftbar für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen sein? Ich muss mir also von allen Auftragnehmern die Arbeitsverträge sowie – natürlich – die Arbeitszeitnachweise geben lassen – gehts denn noch??

Ausdrücklich betonen möchte ich, dass meine Hauswarte  ganz überwiegend seit vielen Jahren oder sogar Jahrzehnten in den Häusern beschäftigt sind und weit über den Grenzen des Mindestlohn bezahlt werden, was im privaten Bereich der Vermieter auch so war und ist. Schließlich ist selbst ein nicht ganz so guter Hauswart i.d.R. besser als ein guter Reinigungsdienst. Es geht hier also keineswegs um den Mindestlohn selbst – hierüber kann und wird an anderer Stelle zu diskutieren sein.

Die Umsetzung jedoch bedarf einer deutlichen Entschlackung und Entbürokratisierung!

Die SPD war gewiss die Partei, der meine Arbeitnehmer tendenziell am nächsten standen  – ob dass angesichts der wöchentlich wiederkehrenden Erinnerung an Sie oder der möglicherweise erforderlichen Wohnungssuche so bleiben wird?

Mit freundlichen Grüßen, Michael Henkel

 

Nachdem nunmehr einige Erfahrungen mit dem MiLoG vorliegen, führte die Verbandsreferentin des Landesverbandes, Frau Gonciarska, im November 2015 ein Interview mit unserem Vorsitzenden:

Sie haben auch selbst eine Hausverwaltung. Wie hoch ist der zusätzliche Arbeitsaufwand?  Wie sieht die Umsetzung des Gesetzes in der Praxis aus? 
 Der Arbeitsaufwand ist sehr hoch. Ich habe im Frühjahr etwa 50 Arbeitstunden aufwenden müssen, um die Dokumentationspflicht umzusetzen. 
Insbesondere die Erläuterungsgespräche mit den Hauswarten waren mühsam und langwierig, aber auch die logistische Vorbereitung. In den ersten 2 Monaten waren dann noch etwa 15 Stunden erforderlich, hauptsächlich an Nachsorge hinsichtlich fehlender und falsch ausgefüllter Nachweise. In einigen Fällen war erst eine massive Kündigungsandrohung erfolgreich - was ich den Betreffenden jedoch keinesfalls anlasten möchte, schließlich 
sehe ich das ja selbst nicht ein. 
 Grundsätzlich "läuft" das jetzt, d.h. die Nachweise sind zeitnah bei mir - zurzeit sind das übrigens schon über 700 Zettel! 
 Viel problematischer ist, dass ich gezwungen bin, die Arbeitszeitkonten spätestens im Herbst penibel zu kontrollieren, kommt doch mancher 
Hauswart (ich verwende das mal genderneutral) auf die glorreiche Idee, seinen Arbeitseinsatz etwas großzügiger zu bewerten, um als fleissiger 
Arbeitnehmer dazustehen. Aber auch ohne solche Absichten vergisst Mancher, die Zeiten des Schwätzchens mit dem Nachbarn oder den Gang mit 
dem eigenen Mülleimer von der Arbeitszeit abzuziehen.  Würde sich das bei einer Kontrolle herrausstellen, hätte ich ein echtes Problem, da ich nicht nur Lohn nachzahlen muss (dieser Anspruch verjährt übrigens nicht!), sondern auch Gefahr laufe, in die Sozialversicherungspflicht zu kommen - 
und das tut richtig weh. Von den Bussgeldern ganz zu schweigen, die auch ganz schön happig sein können.
 Wenn ich allerdings im Mitgliederkreis so schaue, habe ich so meine Zweifel, ob wirklich überall korrekt dokumentiert wird. 
  
 Muss die Arbeitszeit täglich erfasst und archiviert werden?
 Die Nachweise sind mir als Arbeitgeber wöchentlich vorzulegen, ich habe sie zu archivieren und auf Verlangen vorzulegen. 
  
 Sind Sie dadurch in Ihrer Flexibilität eingeschränkt? 
 Ja, natürlich! Spontane Aufgabenverlagerung geht faktisch nicht. Ich muss immer das Arbeitszeitkonto im Auge behalten.
 
 Mindestlohn und Arbeitgeberhaftung: Was gibt es dort zu beachten? 
 Hinsichtlich unserer Hauswarte sind wir natürlich in der Verantwortung, was den Mindestlohn betrifft. Hier ist also Pflicht, auf die lückenlose 
Führung der Arbeitszeitdokumentationen zu achten, da im Zweifel der Arbeitgeber - oder in meinem Falle - der Verwalter haftet. Hinsichtlich der 
Auftraggeberhaftung sieht das wohl anders aus: Hier wird auf das Arbeitnehmerentsendegesetz bezug genommen, dieses sieht eine Haftung des AG vor, wenn er den klassischen Subunternehmer einschaltet. Dies ist hier nicht der Fall, da die Hausreinigung oder Gartenpflege ja nicht zu den 
originären Pflichten des Arbeitgebers gehört. 
 Allerdings: Expliziet definieren tut das Gesetz dies nicht, also ist nicht ausgeschlossen, dass der Zoll als Kontrollbehörde hier zu einer restriktiveren Auslegung und Anwendung kommt.
 
 Gibt es mögliche Konsequenzen und wenn ja, welche, wenn die Verwalter den Aufwand bei der Beschäftigung der Hauswarte auf Minijobbasis 
nicht mehr leisten können und künftig Dienstleister deren Arbeit übernehmen müssen?
 Nun, das ist in der Tat ein Problem, das ich genau so auch Frau Ministerin Nahles geschrieben habe. Ich habe mir selbst dieses Jahr zur 
Beobachtung und Prüfung gegeben - es wird wohl so sein, dass einige Arbeitsverhältnisse gelöst werden müssen, da die Eigentümer nicht unbedingt bereit sind, den Mehraufwand zu vergüten. Bereits jetzt macht die Lohnbuchhaltung durch die ständig wechselnden Vorschriften und 
Anforderungen einen erheblichen Anteil der Arbeit in meiner Verwaltung aus - und das neben den auch nicht ganz billigen EDV-Programmen und 
deren Ansprüchen an die Hardware! Lassen Sie mal einen  Hauswart länger als 6 Wochen krank werden - da kommt Freude auf! 
 Rechnete ich das rein wirtschaftlich, dürfte ich jetzt schon keinen Hauswart mehr beschäftigen. 
 
 Viele Hausmeister sind Minijobber. Gibt es bei denen Schwierigkeiten?  
 Nun, die Gefahr ist höher, da im Falle der Unterschreitung der Mindestlöhne eine rückwirkende Nachentlohnung zwingend ist. Führt diese zur 
Sozialversicherungspflicht, so hat der Arbeitgeber ein Problem...
 
 Sind Stücklöhne und Monatsgehälter mit dem Mindestlohn vereinbar?
 Natürlich. Wir mussten ja schon früher die Arbeitzeiten vertraglich festlegen, um die Zahlungen bei Urlaub, Krankheit oder 
Schwangerschaft berechnen zu können.  
 
 Wer muss seine Arbeitszeiten dokumentieren?
 Grundsätzlich Minijobber und Arbeitnehmer bestimmter Berufe, z.B.Gaststätten- und Baugewerbe, Reinigungsdienste. Leider hat weder die 
Nachbesserung  mit der Mindestlohnaufzeichnungsverordnung – MiLoAufzV (sie nimmt nur sog. mobile Tätigkeiten von der ausführlichen 
Dokumentationpflicht aus) noch die Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung - MiLoDokV für unsere Anforderungen Erleichterungen 
gebracht. 
 
 Ist die Arbeitszeiterfassung eigentlich nicht „Gang und Gäbe“?
  Bisher war mir doch relativ egal, wie lange der Hauswart tatsächlich "arbeitet". Üblicherweise werden wenige Arbeiten an einem Stück ausgeführt, 
sondern verteilt, nicht selten unterbrochen vom bereits genannten "Schwätzchen" mit den Nachbarn oder sonstigen Päuschen (bei manchen 
Hauswarten ist das Handy ja kaum vom Ohr zu trennen...). Der Hauswart weiss, was er im Ergebnis abzuliefern hat und die Einteilung ist seine 
Sache, in die ich grundsätzlich auch nicht reinrede. 
 
 Für wen gilt die Aufzeichnungspflicht?
 Wenn es keine z.B. elektronische Arbeitszeiterfassung gibt, muss dies in der Praxis der Arbeitnehmer tun - vorausgesetzt, ich habe dies nachträglich in den Arbeitsvertrag aufgenommen - wie übrigens sinnigerweise auch die Regelung eines Arbeitszeitkontos. Insbesondere bei den regelmäßig ja 
nicht überwachten Hauswarten geht das sowieso nicht anders. 
 Letztlich verantwortlich ist wie immer der Arbeitgeber, er muss dafür sorgen, dass die Nachweise geführt werden können und muss deren 
Archivierung für die nächsten 2 Jahre besorgen.